Feuer in Amazonien
© Victor Moriyama / GreenpeaceIm Amazonas-Regenwald wüten über 70.000 Feuer. Dass es im Regenwald brennt, ist nicht ungewöhnlich. Doch in diesem Jahr sind es besonders viele Feuer, die den Wald zerstören. Diese Entwicklung bedroht nicht nur unzählige Tiere und Pflanzen, sondern auch Menschen, die im Regenwald zu Hausen sind. Auch für das weltweite Klima ist die Zerstörung brandgefährlich. Warum, erklärt Oliver Salge. Er ist Waldexperte und lebt seit vier Jahren in Brasilien.
Zurzeit leitet er vor Ort die neue internationale Greenpeace-Kampagne „All Eyes on the Amazon“ (auf deutsch: ‚Alle Augen auf den Amazonas'.) Er erklärt, was es mit den schlimmen Waldbränden im Amazonas-Regenwald auf sich hat.
Du lebst derzeit in Sao Paulo, dort waren die Auswirkungen der Waldbrände letzte Woche ja auch zu spüren. Wie ist die Situation?
Oliver Salge: Du sprichst sicher den Montag an. Ich war an dem Tag zuhause, weil ich krank war. Ich hatte mich mittags mit Fieber hingelegt und als ich aufwachte, dachte ich, ich hätte den ganzen Nachmittag verschlafen. Draußen war es stockdunkel, so wie normalerweise gegen sechs Uhr, wenn die Sonne untergeht. Ein Blick auf meine Uhr zeigte allerdings, dass es erst drei Uhr am Nachmittag war. Ich bin genau in dem Moment aufgewacht, als sich der Himmel verdunkelt hatte. Zuerst dachte ich, ich hätte eine Sonnenfinsternis verpasst, es blieb etwa 1,5 Stunden stockdunkel. Ich hatte das Gefühl, die Sonne sei vom Himmel gefallen. Gegen Abend klarte es langsam wieder auf und wir erfuhren, dass Rauchschwaden der Brände aus dem brasilianischen Bundesstaat Rondônia und Bolivien durch eine Windveränderung auf uns zugetragen worden waren. Allerdings betraf das nicht nur Sao Paulo, sondern auch Paraná und weitere Gebiete im Süden Brasiliens. Bekannte von mir, die in oberen Stockwerken in Hochhäusern wohnen, sahen eine riesige schwarze Wolke auf die Stadt zurollen. Sie sagten, es sei wie in einen Thriller gewesen - gespenstisch. Das ist jetzt glücklicherweise vorbei.
© Bruno Kelly / GreenpeaceWie kommen die Feuer zustande?
Oliver Salge: Viele Brandherde liegen genau dort, wo die Waldzerstörung in den letzten Monaten am stärksten war. Das heißt, die Feuer stehen in direktem Zusammenhang mit der Abholzung der letzten Monate. Die Zerstörung der Urwälder funktioniert in Brasilien etwa so: Zu Beginn der Trockenzeit, das ist April oder Mai, werden hektarweise Wälder gerodet. Das Holz wird später entnommen und der Rest bleibt liegen und trocknet vor sich hin. Dann werden die Reste angezündet und alles brennt lichterloh. Das beschränkt sich natürlich nicht auf die 200, 600 oder 1.000 Hektar, die gerodet wurden, sondern springt auf den noch intakten Wald über. So geraten dann schnell sehr große Gebiete in Brand.
Welche Auswirkungen haben die Brände auf die Umwelt und das Klima vor Ort und weltweit?
Oliver Salge: Allein in Brasilien sind in den letzten Monaten mehr als 40.000 Waldbrände gezählt worden. Die Rauchschwaden sind voller kleiner Partikel aus den Feuern und ziehen über das Land. Das hat weit reichende Konsequenzen für die Gesundheit der Menschen, die hier leben. Asthmatiker, ältere Menschen und Kinder sind besonders betroffen.
Und es reicht weit über die Gebiete hinaus, in denen es brennt. Die Partikel der Brände steigen mit dem Wind auf, ziehen über Südamerika, über die Meere und bis hin nach Europa, also auch zu euch. Letztlich verteilen sich die Rauchschwaden über die ganze Erde.
© Bruno Kelly / GreenpeaceIn Amazonien brennt es jedes Jahr. Was ist diesmal anders und was sind die Ursachen der Brände?
Ja, in Brasilien brennt es jedes Jahr. Im Vergleich, letztes Jahr hatten wir zum gleichen Zeitpunkt etwa 15.000 Feuer im Wald, dieses Jahr haben wir dort 40.000. Das ist eine extreme Steigerung – vor allem, weil es weder besonders trocken noch windig ist. Verantwortlich ist die Politik der Regierung. Sie gibt jenen Rückendeckung, die Wälder roden und Feuer legen. (Zur Erklärung: Oftmals sind das Farmer, die ihr Land vergrößern wollen. Zum Beispiel um ihre Weideflächen für Rinder zu vergrößern. Oder um noch mehr Soja anzubauen - das zum großen Teil als Tierfutter auch bei uns in Europa in den Ställen landet.) Von der Seite der Regierung sind die Behörden ausgehöhlt worden, in deren Verantwortung der Schutz der Wälder und der Indigenen - also der Ureinwohner im Amazonas-Regenwald liegt. Ohne Geld sind ihnen die Hände gebunden.
Welche Auswirkungen haben die Feuer auf die Umwelt und das Klima?
Jeder Baum, jeder Hektar Regenwald, den wir verlieren, führt uns weiter in eine Zukunft, in der sich die Temperaturen weltweit erhöhen. Das Ziel, eine globale Erhitzung von 1,5 Grad nicht zu überschreiten, rückt in immer weitere Ferne. Der Amazonas-Regenwald ist eine natürliche Klimalösung - er speichert Kohlenstoff. Und je mehr wir zerstören, umso weniger kann er speichern. Nach jetzt vorliegenden Zahlen erwarten die Forscher, dass in diesem Jahr mehr als eine Million Hektar Wald zerstört werden. (Zum Vergleich: das entspricht ungefähr einer Million großer Fußballfelder - die Redaktion). Letztes Jahr belief sich die Zahl auf 800.000 Hektar und das war in den letzten acht Jahren bereits ein trauriger Rekord.
Interviewtext: Beate Steffens. Wir haben das Interview gekürzt und um einige Erklärungen ergänzt (durch Klammern gekennzeichnet.)
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